Bautzen. Feinsäuberlich hat ein Gefangener die Produkte in einer Liste markiert. Zum Beispiel Nivea Bodylotion. Die kostet in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Torgau 4,49 Euro. In Bautzen müssen die Gefangenen für das Produkt mehr bezahlen: 4,89 kostet die Bodylotion hier. Oder Aronal Zahncreme. In der JVA Torgau kostet die 3,19 Euro – in Bautzen 3,39 Euro. Oder Rasierschaum: in Torgau 1,19 Euro, in Bautzen 1,59 Euro. Die Liste ließe sich lange fortführen.
Gefangene können durch Arbeit in der Haft Geld verdienen und davon im Gefängnis einkaufen. Kritikpunkt: In der JVA Bautzen gibt es im Vergleich zu Torgau auf viele Produkte einen deutlichen Preisaufschlag. Aber nicht nur das: Die Liste an Produkten, aus der die Gefangenen in Bautzen wählen können, ist deutlich kürzer als in Torgau.
Seit 2019 gibt es einen neuen Anbieter
Unter den Gefangenen in Bautzen macht sich deshalb Unzufriedenheit breit. In einem anonymen Brief, der Sächsische.de erreichte, schreibt der Verfasser von einer aus seiner Sicht „unbegründeten Preiserhöhung“. Auch in der Gefangenenzeitung ist das Einkaufen Thema gewesen: „Ganze Bestelllisten von Frischeartikeln verschwinden“, heißt es darin.
Tatsächlich, das bestätigt Frank Hiekel, der Leitende Regierungsdirektor der JVA Bautzen, hat es einen Anbieterwechsel für den Einkauf gegeben. Die Firma Massak Logistik hat diesen im Januar 2019 von einem regionalen Händler übernommen. Warum es den Wechsel gegeben hat, bleibt offen. „Im Jahr 2018 gab es eine Ausschreibung“, heißt es dazu nur vonseiten der JVA.
Gefängnis-Preise ähnlich wie im Supermarkt
Aber stimmt das mit den Preisen? Müssen Bautzens Gefangene für ihren Einkauf tatsächlich so viel mehr zahlen als andere Gefangene?
Torgau und Bautzen – beide Justizvollzugsanstalten werden vom selben Anbieter, also der Firma Massak, beliefert. Das bestätigt das sächsische Justizministerium. Dass die Preise in Bautzen so hoch sind, erklärt Frank Hiekel zum Beispiel mit der Corona-Krise. „Die Preise für Nahrungsmittel sind während der Corona-Krise auch außerhalb der Anstaltsmauern deutlich angestiegen“, erklärt er. „Der Dienstleister verdient hier, eigenen Angaben nach, weniger als im stationären Lebensmittelhandel.“
Und: Erst im Juni dieses Jahres habe die JVA einen Vergleich von 18 Produkten durchgeführt. Hinter Gittern kosteten die Produkte in etwa ähnlich viel wie beispielsweise in einem Edeka-Markt, so das Ergebnis laut Hiekel.
Besonderes Einkaufssystem in Bautzen
Trotzdem: Corona gibt es auch in Torgau. Das kann also nicht alles sein. Was spielt noch eine Rolle? Aufschluss bringt ein Telefonat mit der Firma Massak.
„Einmal in der Woche“, erzählt Jörg Kusche von dem bayrischen Unternehmen, „fahren wir mit dem Lastwagen zur JVA Bautzen.“ So weit, so gut. Für den Preisunterschied sorgt, was folgt. „Wir bauen dann einen kleinen Laden auf“, erzählt Kusche. Eine Art Supermarkt hinter Gittern entsteht. Die Gefangenen können sich die Produkte ansehen, durch die Reihen laufen, an der Kasse bezahlen. „Sicht-Einkauf“ nennt sich das – und es bedeute viel Arbeit.
Das beginne beim aufwendigen Einrichten des Ladens, erzählt Kusche – und ende beim höheren Personalaufwand und den Sicherheitsmaßnahmen, die in einem Gefängnis eben so nötig seien. Außerdem müssten viele Produkte vorgehalten werden, die am Ende keinen Abnehmer finden. Und auch Diebstahl sei ein Problem.
Einkaufsfirma bietet Gespräch an
In der JVA Torgau läuft der Einkauf anders ab. „Bestell-Einkauf“ nennt sich das System, das dort angewendet wird. Das bestätigt auch das Justizministerium. Die Gefangenen wählen ein paar Tage vor dem Einkauf aus, was sie haben wollen, und bekommen dann eine individuelle Lieferung. Das ist mit weniger Aufwand verbunden, berichtet Kusche. Die höheren Preise in Bautzen kommen zustande, sagt er, weil die Mehrkosten umgelegt werden. Hinzu komme, dass die JVA Torgau nur zweimal im Monat beliefert werde – Bautzen wöchentlich. Und die geringere Auswahl an Produkten? Die liege am begrenzten Platzangebot im kleinen Gefängnis-Supermarkt.
Nur wenige Justizvollzugsanstalten arbeiten mit dem Sicht-Einkauf, teilt das Justizministerium mit. Bautzen tut das, in Chemnitz gibt es das Modell nur für Kosmetikartikel. In Dresden und Regis-Breitingen gibt es ebenfalls Sicht-Einkauf, zudem zu Teilen in der JVA Zeithain. Dennoch: Es gibt Gründe, die für das Modell sprechen. So sollen die Gefangenen lernen, mit Geld umzugehen, – und den Bezug zum Leben draußen nicht verlieren, berichtet Jörg Kusche. „Der Einkauf“, erklärt er, „ist realitätsnäher.“
Und wie geht es jetzt weiter? Frank Hiekel sind die Probleme bekannt. Er tauscht sich regelmäßig mit der Gefangenenvertretung aus, berichtet er. Ende dieses Monats soll es ein Treffen geben. Dann wird die Gefangenenvertretung an einem Tisch mit der Firma Massak sitzen. Auch die Firma sei offen für ein klärendes Gespräch, erklärt Jörg Kusche.
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July 22, 2020 at 09:00PM
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